Briefe von Juliana Salzmann aus dem Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück
1. Brief von September 1941 (Häftlingsnummer 6826, Block 16)
„Lieber Vater, Schwester, Sohn Hugo!
Habe deine Karte und Brief erhalten, vielen Dank, auch das(?) Päckchen. Ich schreibe immer an Dich, Tinerl, und an mein Hugolein und seid bitte ......
Meinetwegen macht Euch keine Sorge, ich bin gesund und hoffe dies auch von Euch und meinem Mann. Mein liebes Söhnchen, ich freue mich, dass es Dir gut geht und Du so brav bist, bleibe so. Wenn Du einmal deinem lieben Papa schreibst, richte liebe Grüße und Bussi von mir aus, auch an Frau Knobel. Liebe Schwester, wenn es Euch möglich ist, schickt mir etwas Geld, mein Koffer mit einigen Sachen wird von hier aus an Dich geschickt, hebe sie bitte auf. Ich bin froh, dass Hugo einen Anzug hat, und habt alle vielen innigen Dank für alles Gute. Bis aufs Wiedersehen, nehmt alle meine besten Grüße, Bussi an Hugo .....“
2. Brief von Oktober 1941 (Block 5)
„Meine liebe Schwester, Sohn Hugo!
Deinen letzten Brief sowie die 10 Reichsmark habe ich erhalten, ich habe mich sehr gefreut, und hab vielen Dank dafür. Wenn Du mir wieder schreibst, so soll mir mein Söhnchen auf die andere Seite etwas malen und dazu schreiben, ich habe solche Sehnsucht, von ihm selbst etwas zu haben, seine beiden Bienenhäuschen habe ich bekommen und hatte viel Freude damit. Ja, liebes Hugolein, bald hast Du Geburtstag, am 2. 11., nehme alles Gutes zu deinem 9. Geburtstag von Deiner Mutti, bleibe gesund und sei immer unser braves gutes Kind. Leider habe ich heute nur ein paar Worte für Dich, aber Deinen 10. Geburtstag wollen wir zusammen mit unserem lieben Papa in der Heimat feiern. Wenn Du an ihn schreibst, grüße ihn herzlich von mir und drücke Großvater und Tante Tinerl fest von mir. Nochmals vielen Dank, Grüße und Bussi an alle ....“
3. Brief von November 1941 (Häftlingsnummer 6826/6176, Block 5)
Meine Lieben, ich habe mit Freude Deine lieben Zeilen erhalten und ich bin sehr froh, dass es Euch und meinem lieben Söhnchen gut geht. Besten Dank für das Geld und brauche vorläufig keines mehr. Liebste Schwester, Sorgen mache ich mir um Hugo, wenn er wieder mit seinem Magen zu tun hat, frage ihn, ob ihn nicht Dr. Scheu behandeln kann, dass sich sein Zustand bessert, gebe mir darüber Bescheid, ich hab sonst keine Ruhe. Ich bin noch gesund und macht Euch meinetwegen keine Sorgen, wir werden uns bald wieder sehen. Unser Söhnchen hat es gut bei Dir, und das macht mich froh. Wenn Du kannst, kaufe Lebertran für ihn und bleib ein gutes Mütterlein zu ihm bis ich wieder komme. Grüße die Kreuznacher Tante Knobel, Hugo, wünsche ihm gute Besserung, an alle Geschwister, Bussi an Vater, Dich und Bub .....“
4. Brief von Dezember 1941 (Häftlingsnummer 6826/6176, Block 5)
„Meine Lieben! Ich habe Deinen lieben Brief und auch 10 Mark erhalten, besten Dank, ich habe mich gefreut. Dass Hugolein sich den Arm gebrochen hat, ist schlimm, hoffentlich ist er gut geheilt und hat Dir nicht allzu viel Sorgen gemacht, wer wird die Krankenhauskosten bezahlen? Hast Du von Hugo wieder etwas gehört? Luise ihren Gruß habe ich bekommen und sage ihr meinen Dank. Liebes Söhnchen, ich habe mich sehr über Dein Brieflein gefreut, schreibe mir bitte öfter, es hat mich betrübt, dass Du so ein Pech gehabt hast, und ich bin froh, dass es Dir wieder besser ist, sei lieb, Hugolein, und lerne brav, nächstes Jahr kommt Deine Mutti wieder, dann werden wir uns vieles erzählen, wenn Du an Papa schreiben kannst, richte liebe Grüße, Bussi von mir aus. Liebste Schwester, an Euch alle, verwandten und Freunde, wünsche ich ein besseres neues Jahr, hoffentlich bringt es uns den Frieden. Bleibt gesund und seid herzlich gegrüßt...“
4a. Brief von Dezember 1941 (Häftlingsnummer 6826, Block 1)
„Liebste Schwester, Hugolein, habt innigen Dank für Euren lieben Brief, auch von Papa hab ich einen kleinen bekommen, schreibt ihm, dass ich mich sehr gefreut hab und ihm danke. Im neuen Jahr schreibe ich ihm wieder. Heute bekam ich von der lieben Tilli eine schöne Karte und ein Päckchen mit gutem Keks, ich habe große Freude damit und danke herzlichst dafür. Alle meine Verwandten können mir etwas schicken, wenn es möglich ist, ich bin für alles sehr dankbar. Schickt mir Obst(?), Haferflocken oder Margarine., Speck, Marmelade, Zucker oder Kunsthonig, Äpfel und wenn Ihr könnt backt mir .... mit ....L. Tini, wenn Ihr Kletzenbrot(?) bäckt, so vergesst mich nicht, wickelt Brot oder Mehlspeise in ein Geschirrtuch ein und verpackt alles gut. Notwendig brauche ich warme Handschuhe, warme Unterhemden, Unterhosen, ..... Taschentücher, Strümpfe, Socken, zwei Büstenhalter, Nachthemd, Kamm, Staub... , Bürste, Seife, Zahnpasta. L. Schwester, schicke diesen Brief an Tilla, sie schicken mir das .... gerne, Du hast schon genug an Herzeleid. Grüße herzlichst alle Geschwister..... gesunde Weihnachten. Auf Wiedersehen im besseren neuen Jahr....“
5. Brief von Januar 1942 (Block 5)
„Meine liebe Schwester und Hugolein!
Euren lieben Brief habe ich mit viel Freude erhalten, besonders freute mich Hugos schöne Zeichnung, herzlichen Dank. Ich bin sehr froh, dass Hugo seine Hand gut geheilt ist und hoffe, liebe Tinnerl, Dir alle Ausgaben, welche Du für unser Söhnchen hast, bei besseren Verhältnissen wieder geben zu können, ich mache mir deswegen oft Sorgen. Liebes Söhnchen, unser Hugo hat am 4. Februar seinen 39ten Geburtstag, sei bitte so lieb und schreibe an ihn, zeichne auch etwas Schönes, vergesse die Sonne dabei nicht, er mag sie so gerne, und sage ihm von mir alles Gute, er soll gesund bleiben. Schreibe mir recht bald wieder, und ich glaube fest an ein Wiedersehen in diesem Jahr. Lerne gut, Hugolein, gebe Großvater, Tante Bussi von mir ...“
6. Brief von März 1942 (Block 5)
„Liebe Schwester, Hugolein! Habe deinen lieben Brief erhalten, ebenso die 10 Mark, ich habe mich sehr gefreut, vielen Dank. Geld habe ich noch genug, wenn ich welches brauche, werde ich Euch darum bitten. Liebes Söhnchen, Du hast mir so lieb geschrieben und gezeichnet, ich habe viel Freude damit und danke Dir dafür, schreibe mir bald wieder. Es ist lieb, Hugo, dass Du für Deine Mutti sparst, aber Tante Tinni soll es verbrauchen, wenn ich komme, gibt es wieder Rat, und ich habe den festen Glauben, dass ich bald bei Euch sein werde. Hugolein, Du hast es nicht leicht in der vierten Klasse, aber ich weiß, dass Du brav lernst und ‚erster’ brauchst Du nicht zu sein, ich, es ist sehr schwer vom Französischen ins Deutsche umzulernen. Zu Großvaters Namenstag wünsche ich ihm beste Gesundheit ....“
7. Brief von Mai 1942
„liebe Schwester, Hugolein! Ich habe Deine beiden lieben Briefe erhalten, herzlichen Dank. Habe immer große Freude über Hugos Zeilen und die schönen Zeichnungen. Im April habe ich nicht geschrieben, sollte einmal mein Brief ausbleiben, so mache Dir keine Sorgen. Mit Deinem letzten Brief bekam ich auch einen von Hugo, ich weiß nicht mehr, wie mir zu Mute war, nach so langer Zeit von ihm zu hören. Jetzt warte ich nur(?), wie es mit ihm weiter geht. Mein liebes Söhnchen, schreibe und zeichne für deinen lieben Vati, damit er etwas Freude hat. Ich hoffe, dass Ihr alle noch gesund seid, auch unser alter Vater, ich hoffe sehr, dass ich bis zum Herbst bei Euch bin. Dass Du, mein Kind, gesund bist und es Dir bei Tante gut geht, darüber bin ich sehr beruhigt, wenigstens brauchst Du das Elend Deiner Eltern nicht zu teilen. Aber ich will den Kopf hoch halten, seid auch Ihr ruhig. Innigste Grüße ...“
8. Brief von Juni 1942
Liebste Schwester und Hugolein! Habe deinen lieben Brief und 10 Mark erhalten, habe mich sehr gefreut, vielen Dank. Käthe hat mir auch sehr lieb geschrieben, kann ihr aber nicht antworten. Grüße sie alle von mir und Käthe soll mir wieder schreiben. Von Hugo habe ich noch nichts wieder gehört, Hugolein soll ihm schreiben und ein Bildchen schicken, wenn Papa auch noch nicht geschrieben hat, er wartet mit Sehnsucht auf Nachricht von seinem Bub. Ich mache mir viel Sorgen um Hugo. Liebe Schwester, hoffentlich ist dein Mann nicht schwer verwundet und kommt bald geheilt zurück. Ich bin so froh, dass unser Bub gesund ist und er brav lernt, ich hoffe, in diesem Jahr heimzukommen, und wir werden alle nochmals froh werden, wenn wir gesund bleiben. Hugolein, drücke Großvater und Tante Tinnerl von mir, gib Ihnen ein Bussi. Bleibe weiter so lieb, grüße Papa und alle Verwandten recht herzlich. Auf Wiedersehen recht bald, besten Dank ...“
9. Brief von Juli 1942 (Häftlingsnummer 6826, Block 1)
Liebe Schwester und Hugolein! Habe Euren lieben Brief erhalten, besten Dank, auch Papa hat Euch geschrieben, das freut mich. Nach so langer Zeit hat Hugo wieder von ihm gehört, wenn auch unter so traurigen Verhältnissen, ich habe noch nichts wieder von ihm gehört, bin aber froh, dass er gesund ist. Auf Deine Anfrage kann ich Dir keine Auskunft noch einen Rat geben, da er staatenlos ist, ist meines Erachtens nach die Sache hinfällig. Vielleicht habe ich das Glück, noch dieses Jahr heim zu kommen, dann werden wir weiter sehen. Liebes Hugolein, Geld habe ich noch, und Tante Tinni soll Dir für die 100 Mark Sachen kaufen, Du sollst nicht für Deine Mutti sparen, wenn ich erst frei bin, kann ich wieder verdienen. Schreibe an Papa und richte innige Grüße aus, hab nochmals vielen Dank für Dein liebes Brieflein + Zeichnungen, schreibt bald wieder. Grüßt alle lieben Verwandten, Käthe soll mir schreiben, und was sie von Hugo hört....“
10. Brief von Oktober 1942 (an den Ehemann Hugo Salzmann, Adresse: Koblenz, Karmeliterstraße 1 a)
Liebster Hugo! Deinen lieben Brief habe ich erhalten, leider konnte ich nur eine Hälfte lesen, schade, habe mich sehr gefreut und hab vielen Dank. Wollte heute erst an Hugo schreiben, er hat am 2.11. Geburtstag, es ist schon der vierte, wo Du nicht bei ihm bist, ach ja, und er hat Dich so lieb. Gerne wäre ich bei ihm, er hat mir so lieb geschrieben, er freue sich schon, dass ich im Herbst heimkomme. Ja unser guter Bub hat mit uns auch schwere Zeit mitgemacht, aber jetzt hat er es gut. Mir geht es so, den Kopf lasse ich nicht hängen, habe hier einen lieben Menschen, wir verstehen uns gut und so erträgt man das Schwerste. Um mich, liebster Hugo, habe keine Sorge, es soll uns eben nicht anders gehen. Wie oft denke ich über alles nach, mehr als elf Jahre haben wir treu zueinander gehalten und ich denke, ein bisschen Glück werden wir schon auch noch haben. Würde mich freuen, wenn Tilla Dich besuchen könnte. Grüße alle Lieben, und hoffe, sie bald wieder zu sehen. Bleib gesund, mein lieber Hugo, und sei.....“
11. Brief von Jänner 1943
Lieber Vater, Schwester und Hugolein! Einen lieben Gruß und festen Händedruck im neuen Jahr, bleibt alle gesund. Vielen Dank für Euren lieben Brief, auch an Dich, lieber Bub, so schön hast Du geschrieben und gemalt, Du bist ein braves Kind. Vati hat am 4. Februar seinen 40. Geburtstag, schreib ihm einen lieben Brief und zeichne etwas und wünsche ihm auch von mir das Beste. Nächsten Monat schreibe ich ihm. Habe beide Pakete mit allem erhalten, ich bin sehr froh, dass Ihr mir etwas schicken könnt. Ihr könnt Euch nicht denken, wie ich mich gefreut habe, beim Weihnachtspäckchen konnte ich lange keinen Schlaf finden, vor Freude und Heimweh. Lange habe ich so Gutes nicht gegessen, Dir, liebe Luise, innigen Dank für das Gegebene. Liebe Schwester, ich kann unbegrenzt Pakete erhalten, schickt mir ein Kilo Brot und etwas zum Schmieren, damit ist mir viel geholfen. Wenn möglich Zitronen, statt Würfelz. Kristall..(?). Schreibe bitte an Tilla und Käthe, sie wollen mir öfter was schicken. Hoffentlich kann Hugo auch Essbares empfangen, er hat mir geschrieben, vielen Dank. Grüße ihn und alle lieben Verwandten herzlichst, auf Wiedersehen seid umarmt ...“
12. Brief von März 1943 (Block 4)
„Liebster Vater, Schwester und Hugolein! Deine lieben Briefe mit Geburtstagswünschen erhalten, habe mich sehr gefreut über Hugos Zeichnungen und über die schönen Pakete, ich habe alle bekommen, das letzte vom 27.2. am 18.3. Liebe gut Tini, ich kann nicht mehr als Dir für alles vielmals danken. Mein Schwiegervater hat mir zum Geburtstag ein Päckchen mit Zwieback geschickt, wenn Du schreibt, danke ihm bitte für mich. Hugo hat mir geschrieben, bin froh, dass er gesund ist. Käthe und Tilla haben mir Karten geschrieben, besten Dank und grüße sie alle herzlich. Liebe Tini, wenn Du kannst, schicke mir ein bisschen Öl oder sonst etwas, ich habe einen schweren Husten, wird gar nicht besser, und wenn möglich Zwiebeln, eine Handbürste und Vaseline. Wieder ist ein Frühling, sehe unseren lieben Bub daheim am Bach, wo die ...röschen(?) blühen, wann komme ich zu Euch? Ich hoffe dieses Jahr bestimmt. Liebe Tini, kannst Du A....(?) ein Bildchen vom Sohn schicken. Bleibt gesund und gegrüßt ....“
13. Brief von April 1943 (Block 4)
„Meine liebe gut Schwester, Vater und Hugolein! Heute habe ich deinen lieben kleinen Brief bekommen. Am 24. Jänner bekam ich den letzten von Dir und war auch in großer Sorge. Warum hat mir mein gutes Hugolein nichts geschrieben und gemalt, bitte das nächste Mal wieder. Im März habe ich Dir geschrieben, hoffentlich hast Du den Brief erhalten. Deine Pakete habe ich alle bekommen, das vorletzte vom 8.2. und das letzte vom 27.2. am 12. 3(ß). Gute Tinerl, alles war sehr gut und schön und es ist für mich eine große Hilfe. Was ist eigentlich mit Kreuznach los, warum schicken sie mir nichts? Bitte, liebes Hugolein, schicke deiner Mutti einen Bautzen. Von Hugo habe ich den letzten Brief vom 1.2. erhalten, schreibt ihm bitte liebe Grüße von mir, und wenn Du an Tante Julchen schreibst, so soll sie mir einmal Marmelade schicken. Liebster Bub, der Schnee ist weg und der Frühling hat Eingang gehalten, gern würde ich mit Dir in der schönen Heimat wandern, auch das kommt wieder, bleibt gesund , innigsten Dank für alles Gute, seid umarmt und alle recht herzlich gegrüßt...“
14. Brief von Mai 1943 (Block 2)
„Liebster Vater, Schwester und Hugolein! Für die lieben Zeilen, die mir frohe Ostern brachten, innigsten Dank. Jetzt bin ich ruhig, ich, dass Hugo es den Verhältnissen entsprechend anständig haben wird. Er hatte Glück. Dir, liebes Hugolein, danke ich für die liebe Zeichnung, die Katze hast Du ganz schön gemacht, was macht dein kleines Kätzchen? Hugolein, hab um uns keine Sorge, Vati und ich kommen wieder, wir müssen nur gesund bleiben, ich hoffe, dass Du nicht so ganz groß wirst, sondern dass wir früher schon bei Dir sind. Schreibe an unseren lieben Vati und sende ihm Grüße und Küsse von mir, er soll gesund und tapfer bleiben. Liebste Schwester, schicke nie wieder Öl, Vaseline oder Arzenei(?), schade, habe nichts bekommen, für alles andere besten Dank, bin froh für alles. Gestern habe ich das kleine Päckchen bekommen, war es von Luise, ich habe mich gefreut. Heute ist ein herrlicher erster Maitag, die Sonne sandte Ihre Wärme der Menschheit. Tini, schicke mir bitte zwei weiße starke Taschentücher. Bleibt gesund und herzlichst gegrüßt und ein festes Bussi an Hugolein... „
15. Brief von Juni 1943 (Block 2)
„Meine Lieben! Für Euren lieben Brief vom Mai herzlichen Dank, schön gezeichnet hast Du, Hugolein. Habe auch alle Pakete bekommen, auch die Zwiebeln, nur Öl und Vaseline bekam ich nicht. Hugolein, ich habe Dein Bildchen gesehen, ein so großer sauberer Bub bist Du, und immer so lieb wie Du warst. Mir war es sehr schwer, wenn ich auch alles andere tapfer trage. Aber es macht nichts, mein Söhnchen, uns scheint die Sonne auch noch, wir sehen uns wieder und werden es gut haben. Hugolein, ich weiß, dass Du Dir Mühe gibst zur Prüfung für die Hauptschule, wünsche Dir alles Gute. Vati hat mir noch nicht geschrieben, hoffentlich ist er gesund. Tilla, die Glückliche, kann unseren guten Buben sehen, grüße sie und Bigitte(?) und alle anderen Verwandten von mir, sie soll mir schreiben, auch wie sie Hugo in Koblenz besucht hat. Liebe Tini, Aliderl(?) war schon sehr krank, die Schule ist sehr anstrengend für sie es geht ihr besser, seit ihr ihre Schwester hilft. Die Äpfel waren schön und gut, danke vielmals für alles, bitte um Seifenpulver. Beste Grüße an Euch alle...“
16. Brief von Juli 1943 (Block 2)
„Meine Lieben. Bin ganz beunruhigt, habe seit sieben Wochen keine Post von Euch, schreibe mir einen Einschreibebrief und wenn Du, liebe Tini, keine Zeit hast, soll unser Bub mir öfters eine Karte schreiben. Es ist schlimm, wenn man keine Post bekommt. Von Hugo habe ich noch nichts gehört, war Tilla bei Euch? Hoffentlich schreibt sie mir einen Brief, und hoffe, dass Ihr meine Post erhalten habt. Liebe Tini, ich habe im Juni vier Päckchen bekommen, danke vielmals dafür, vermerke nächstens Inhalt und Datum im Karton und gebe sie als dringend auf. Bitte um zwei weiße starke Taschentücher. Wie geht es Vater, denke, in diesem Jahr heimzu-kommen. Anny kann mir auch schreiben, verliert bestimmt nichts von ihrer Ehre, nur wenn sie will. Dich, mein liebes Hugolein, grüße ich innigst und auf Wiedersehen recht bald, bleibe lieb. Beste Grüße an die Kreuznacher, an Euch alle ...“
17. Brief von August 1943 (Block 2)
„Meine Lieben! Habe im Juni Euren Brief erhalten, Annys Zeilen haben mich gefreut, ich bin froh, dass Ihr gesund seid. Hat Hugo Euch geschrieben? Mir noch nicht. Von Käthe bekam ich Anfang Juli einen Brief und ein Paket. Liebe Tini, schreibe ihr bitte, dass ich alles erhalten habe, grüße sie und ihre Familie herzlich und lasse vielmals für alles danken. Liebe Schwester, der Lebkuchen war verschimmelt, schade. Ihr darbt es Euch und ich hab nichts! Am Haltbarsten sind Roggenkekse (große Stücke), Käse und alles andere war gut und ich danke Euch. Liebes Hugolein, wegen der Schule ist es gut so, es macht nichts, wenn Vati und ich wieder kommen, wirst Du zur höheren Schule gehen und außer Englisch noch viel mehr lernen. Wie geht es dem Französisch, hoffentlich hast Du Gelegenheit zu üben, damit Du es nicht verlernst, es wäre schade. Wenn Du an Vati schreibst, grüße ihn herzlich und er soll gesund bleiben, ebenso Frau Knobel. Nächsten Monat schreibe ich an Käthe, grüßt sie alle in Kreuznach. Du Hugolein, sei lieb zu klein ....(?) und gib ihm ein Bussi von mir. Bis auf ein Wiedersehen grüßt Euch Eure dankbare Julerl. Bin sehr froh für die zwei Taschentücher.“
18. Brief von Oktober 1943
„Meine Lieben! Habe Euren Brief erhalten, nur bekam ich den, der für Hugo bestimmt war und Hugo erhielt meinen. Peter war auf Urlaub und eine schöne Reise habt Ihr auch gemacht. Ich kann mir denken, dass Hugo sich gefreut hat und Ihr mit ihm. Habe noch ein bisschen Geduld, mein liebes Kind, wenn deine Mutter wieder kommt, dann fahren wir auch Boot auf dem ....teich(?). Es freut mich, dass Du so gut schwimmen kannst. Liebe Tini, ich habe Päckchen von Dir bekommen, es war alles gut und danke vielmals, wenn Ihr wieder schickt, nummerier sie, fange bei 1 an und laufend weiter , damit ich sehe, ob(?) eins verloren geht. Wenn möglich, schickt mir bitte ein paar warme Strümpfe und ein ....hemd(?) mit Ärmeln, Seife und ein bisschen Käse, wenn ihr habt. Käthe hat mir ein Päckchen geschickt und Tilla auch, denn ihnen bitte. Wenn Tante ...(?) schreibt, grüße sie herzlich, ihr Paket erhalten, leider alles schlecht, danke ihr bestens, grüße herzlichst Vater..... auf Wiedersehen recht bald Eure Julerl.“
19. Brief von Dezember 1943
„liebste Tini, Vater und Hugolein! Euren lieben Brief habe ich bekommen, auch die Pakete bis fünf erhalten, nur drei ist ausgeblieben, kann man nichts machen, es ist Krieg, es ist erstaunlich, dass alles noch so gut geht. Gute Tinerl, hab vielen herz-lichen Dank für alles. Ich bin sehr froh, dass Hugo Euch geschrieben hat und dass er gesund ist, auch mir geht’s gesundheitlich gut und so können wir hoffen, uns wieder zu sehen. Unser lieber Vater braucht sich nicht zu kränken, seine Julerl ist immer ehrlich und anständig geblieben, und ich habe nur einen Wunsch, bald bei Euch zu sein. Hugolein, unsere Paula ist ein lieber guter Mensch, wenn Du Zeit hast, schreibe ihr manchmal, sie wird sich freuen über dein Bildchen. Liebe Tini, nächstes Mal schreibe ich an Hugo, er hat am 4.2. Geburtstag, also sorge Dich nicht, wenn einmal kein Brief kommt. Ich wünsche Euch allen gute Weihnachten und ein gesundes neu-es Jahr, Hugolein, schreibe an Vati liebe Grüße, auch an die Kreuznacher und vielen Dank an Käthe, habe zwei Päckchen erhalten. Seid bestens gegrüßt und umarmt ...“
20. Brief von Jänner 1944 (an Hugo Salzmann, Adresse: Butzbach/Oberhessen)
„Mein Lieber Hugo! Es ist schon lange, als ich Deinen lieben Brief erhielt, ich hatte mich sehr gefreut, danke vielmals. Unserem Bub geht es gut, er schrieb mir sehr lieb und zeichnete einen Tannenzweig mit zwei Vögelein, dazu ein gesundes neues Jahr. Von Tilla bekam ich eine Karte, Käthe und ihre Familie senden mir öfters einen Gruß durch ein kleines Päckchen. Alle lasse ich grüßen und wünsche ein gesundes neues Jahr und danke für alles. Lieber guter Hugo, bald hast Du Geburtstag, nehme von ganzem Herzen einen festen Händedruck, bleibe gesund und tapfer, es kommt die Zeit, wo wir wieder beisammen sind. Es freut mich, dass Karl bei Dir war, er ist ein armer(?) Kerl. Mir geht’s gesundheitlich gut und wünsche mir nur, alle meine Lieben wieder zu sehen. Lieber Hugo, schreibe bitte an Tilla, sie soll mir, wenn möglich, zwei feste Nachthemden, keine weißen, schicken. Wir zählen 1944, es ist lange und schwer für alle Menschen, hoffentlich bringt uns das kommende Jahr den Frieden. Habe Ausdauer und bleibe gesund, sei innigst gegrüßt, guter Hugo, bis auf ein Wiedersehen umarmt und küsst Dich....“
21. Brief von Februar 1944
„Meine Lieben! Euren lieben Brief von Dezember habe ich bekommen, an Hugo habe ich geschrieben, aber noch keine Antwort, hoffentlich schreibt er an Euch. Liebe gute Tini, alle deine Pakete habe ich erhalten, danke vielmals für alles, auch unserer Luise. Paula sandte mir eine schönes, auch ihre Geburtskarte bekam ich, grüße sie sehr herzlich und danke ihr. Tante Julchen, Tilla, die kleine Therese haben mich nicht vergessen, ich habe mich sehr gefreut und danke Ihnen für alles Gute. Wenn die Therese schreibt, so grüße sie und ihre Eltern und danke für das Päckchen. Liebe Tini, die Pakete fest packen, damit sie heil bleiben. Wie geht es Euch? Ist Vater noch einigermaßen gesund, und Du, liebes Hugolein, lernst Du brav, bist Du gesund, sind deine Zähne gesund. Mein gutes Kind, bald kommt der Frühling und mit ihm wird die Sehnsucht auf ein Wiedersehen immer größer. Liebste Schwester, schicke an Tante Julchen an alle Kreuznacher, grüße sie und alle Geschwister, bleibt alle gesund und seid gegrüßt und umarmt, Bussi für Bub und Vati Eure Julerl.“
22. Brief von März 1944
„Meine Lieben! Habt besten Dank für Euren lieben Brief vom 2.2., habe mich sehr gefreut über Paulas Zeilen, gebt ihr diesen Brief zum lesen. Liebe Tini, ich habe Dein Päckchen vom 71.1. erhalten und Paula ihres auch. Tilla hat mir einen Kuchen geschickt, ich danke Euch allen vielmals. Über Paula habe ich gelacht, sie hat mir ein ganzes Mittagessen mitgeschickt. Alles war sehr gut, Knödel, Kraut und Fleisch, haben sehr gut geschmeckt. Paula, schicke aber nichts derartiges mehr, die Pakete sind oft vier Wochen unterwegs und dann werden solche Sachen schlecht und Ihr spart es Euch vom Munde ab. Liebe Paula, die Eier waren schlecht, sie waren zerbrochen, aber Hose(?) und Butter waren gut. Zucker war nicht feucht. Brot, Wurst, Kuchen, Senf, Käse, Marmelade, alles war in gutem Zustand. Habe innigsten Dank, treue Paula, aber gebe es deinem Hans, bei mir geht es schon. Von Dir, liebes Hugolein, träume ich oft und morgens bin ich dann traurig, dass es nur ein Traum war. Ich bin glücklich, dass Du bei Tante Tini ein so gutes Plätzchen hast und dass Du gesund und brav bist. Liebste Tini, richte herzliche Grüße an alle Verwandten aus...“
23. Brief von Juni 1944 (Block 3)
„Meine Lieben! Über Euren Brief habe ich mich sehr gefreut, über Hugos Zeilen habe ich tüchtig gelacht. Es kommt ja sehr selten vor, dass man so von herzen lachen kann. Die arme Lederhose, die hat ja schön ausgesehen, Du bist halt doch ein kleiner Spitzbub, gell, Hugolein. Es ist ja sehr bedauerlich, dass wir so lange von einander getrennt sein müssen, aber wir halten treu zusammen, auch wenn wir auf unser Wiedersehen noch eine Zeit warten müssen. Ich bin froh, dass Ihr gesund seid, traurig für die arme Gusti, deren Mann gefallen ist, es ist alles so schrecklich, dass man gar nicht denken kann. Lange schon habe ich nichts mehr gehört von Käthe und Tilla, grüße sie bitte. Auch meine liebe Paula, die ihren Mann verloren hat, Gina, eine Bekannte von Paula, hat mir erzählt, dass Hans gestorben ist. Er ist erlöst von allem leiden. Schreibe meinen lieben guten Paula, sie soll den Kopf hoch halten, nicht trauern, es wird alles belohnt. Miene liebe gute Tinerl, Deine Päckchen habe ich erhalten, sie helfen mir viel, und ich bin Euch sehr dankbar, wenn Du kannst, schicke mir auch Zwiebel und Zitronensäurepulver. Meinen lieben Hugo grüße ich ganz herzlichst, möchte gerne einen Brief von ihm. Unserer ganzen Familie meine innigsten Grüße, auf Wiedersehen, nochmals besten Dank seid umarmt ....“
23 a. Brief von Juli 1944 (Block 3)
Meine Lieben! Gestern erhielt ich Euren lieben Brief, danke vielmals, auch Seife und Zahnpasta bekam ich, auch Paket mit Rosinen, Feigen und Äpfeln., alles war sehr gut und ich dachte an Deinen Peter, ob er vielleicht die Südfrüchte geschickt hat. Liebe gute Tini, so oft denke ich, hoffentlich kommt er bald für immer zu Dir zurück. Ich freue mich, dass Du, mein liebes Hugolein, eine Füllfeder bekommen hast., ist aber lieb von Frau Knobel, grüße sie alle herzlichst von mir. Ich hatte einen schönen Traum, die Sonne schien so hell und warm, und ich ging durch grüne Wiesen und kam an einen kleinen Bach und dort fand ich mein Hugolein, Du hattest eine Badehose an, warst wunderschön braun und so gesund und hattest fest an einem kleinen Schiff gearbeitet, dann gingen wir zusammen bei hellem Sonnenschein ins Haus. Dort nahmst Du deine Schultasche und sagtest, glaubst, Mutti, ihr sollt dünner(?) sein als die anderen, dabei wurde ich wach. Ich hatte eine große Freude. Vati hat noch nicht geschrieben. Grüße ihn bitte und ein Bussi, von Paula habe ich eine Karte bekommen. Also recht bald auf Wiedersehen mit Euch allen, bleibt gesund, gegrüßt und umarmt...“
24. (letzter) Brief von November 1944
„Meine Lieben! Habe Euren lieben Brief bekommen, ich war sehr froh, gute Nachricht von Euch zu haben. Es tut mir sehr leid, dass es Vater nicht gut geht, und ich habe ein großes Verlangen, ihn wieder zu sehen. Von Hugo habe ich noch immer nichts gehört und bin daher sehr beunruhigt, vielleicht könntest Ihr einmal dorthin schreiben. Liebe Tini, ich habe zwei Pakete bekommen, eines mit getrockneten Äpfeln und das zweite mit Zwiebeln, alles bekam ich und war in bestem Zustand. Meinen innigsten Dank dafür. Wenn Du hast, schicke mir einmal getrocknete Schwarzbeeren. Jetzt zu Dir ein paar Worte, mein liebes Kind. Übermorgen feierst Du dein zwölftes Lebensjahr, viele Jahre schon feierst Du Deinen Geburtstag ohne Eltern, ich, liebster Hugo, wünsche Dir das Beste, bleibe gesund und brav. Lerne weiter so gut, und hoffe, dass wir uns recht bald mit unserem lieben Papa wieder sehen. Hoffentlich ist er gesund. Ich denke zurück, vor 12 Jahren waren wir in Bad Kreuznach, es ist Deine Vaterstadt, eine schöne Heimat hast Du, Hugo, ia und liebe gute Freunde hatten wir, als Du geboren wurdest, da hatten sie mit uns die größte Freude, wir gehen wieder dorthin, wenn wir uns alle drei wieder finden, ich umarme und küsse Dich und grüße alle recht herzlich, Geschwister, paula und die Kreuznacher Eure dankbare Julerl.“
Briefe von Hugo Salzmann
1. Brief von Hugo Salzmann vom 8. Juni 1942 aus dem Gefängnis in Koblenz
Mein lieber kleiner herzensguter und braver Sohn Hugo und liebe Ernestine!
Wie lange hab ich Dich nicht mehr gesehen. Jahre sind es geworden, und wie viele Jahre wird es noch dauern? Das Wiedersehen? Auf(?) mein über alles gel...(?) Junge, wie oft war mein Herz schon weich und meine Augen feucht, wenn ich in mancher schwermütiger Stunde deiner gedenke. Wie drücke ich Dich dann in Gedanken an mein Herz, liebkose und küsse Dich, erzähle Dir im Geiste schöne Kindermärchen, sehe wie lieb Du ...(?) wie Du läufst und freust, deine Kinderaugen leuchten. Sehe in Gedanken die Mama dabei stehen, wie sie sich freut und stolz ist auf ihren kleinen Sohn, den ‚lieben Bub’ wie sie immer sagte. Ja, lieber Bub klein Hugo, von Tag zu Tag worst Du größer, wirst ein großer Junge, der fleißig in der Schule lernt, ...(?) Rechnen, Schreiben und noch mehr, um ein kluger Mensch zu werden. Es freut Deinen Papa sowie die Mama, wenn sie hören., dass Du brav und lieb zur Tante bist, dazu fleißig in der Schule. Lerne gut, mein kleiner Sohn, sei aufmerksam im Leben und anständig zu allen Menschen. Soll Papa das große Glück haben, Dich im Leben wieder gesund zu sehen, wieder eine Familie mit Dir und der lieben Mama zu sein, dann soll die Liebe meines Herzens, all seine Wärme Dir, unserem lieben Bub, gehören. Dann will ich Dich herzen und drücken und als dein großer Freund weiter mit Dir durchs Leben gehen. So schicke ich heute mit den Schwalben, die piepsend und schreiend an meiner Zelle vorbei fliegen, mit aller Herzenswärme, die ein Vaterherz hat, die besten liebsten Grüße für Dich und deine Tante mit. Bleibe gesund, mein Junge, helfe Tante mit arbeiten, wo sie Dich braucht, mache ihr Freude, und Du wirst sehen, dass Tante Ernestine auch zu Dir lieb sein wird, und Freude Dir bereitet. Papa sagt immer, wenn man seine Arbeit getan hat, darf man auch mit den anderen Jungen spielen. Gelt, lieber Bub, mit 9 Jahren kann man das alles schon verstehen. Wenn Du Mama schreiben tust, grüße sie lieb von Papa, und schreib ihr, dass ich gesund bin und täglich an die liebe Mama denken würde. Nochmals, lieber guter Bub, bleibe gesund, viele Küsse schicke ich Dir mit den schönen Schwalben, bleibe lieb zur Tante, vergesse Papa und Mama nicht. In Gedanken drücke ich Dich fest, fest an mein Herz, nochmals tausend Busserl von deinem lieben Papa Hugo.
Liebe Schwägerin Ernestine,
küsse meinen Jungen für mich. Du gibst ihm ein Mutterherz. Das weiß ich. Ich wünsche, im Leben noch einmal Gelegenheit zu bekommen, Dir, liebe Schwägerin, sowie deinem lieben Manne, das Gute , was Ihr tat, mit dem gleichen danken zu können. Vorigen Monat hat mir auch Julerl geschrieben. Sie hatte meinen Brief erhalten. Darüber sie sich freute. Ebenso schrieb sie mir, dass sie noch gesund sei. Unser Bub ihr oft schreibe und auch seine Malkunst dabei zeige. Dies freut mich in meiner Zelle sehr. Grüßt sie recht lieb, wenn Ihr wieder an Julerl schreibt. Klein Hugo soll auch an seine Tanten Käthe Da...(?) und Anni Lindner eine Geburtstagskarte zum 17. Juni schicken. Beide haben an einem Tag Geburtstag. Das wird sie sehr freuen. Meine Schwester Käthe schrieb mir, dass sie immer an unseren Kleien denken werden und helfen, wo es geht. Ich kann verstehen, so ein Junge wächst aus seinen Kleidern, zerreisst, macht schmutzig und so weiter, da muss man viel Liebe zu einem Kinde haben. Wenn möglich kannst Du, liebe Ernestine, auch mal an meine Schwester Anni schreiben. Sie ist Schneidermeisterin und kann leicht ein Hemdlein oder Hose für Klein Hugo nähen. Nun, Du wirst schon sehen, wie man auskommen muss. Hoffen wir, dass unsere Strafe nicht allzu hart werde, um das Familienglück wieder finden zu können. Dir, liebe Schwägerin Ernestine, sowie Deinem Gatten und all Deinen Geschwistern alles Liebe und gute, tausend Busserl nochmals für Klein Bub
Dein Schwager Hugo.“
2. Brief vom Hugo Salzmann vom 25 Januar 1943 aus dem Gefängnis in Koblenz
„Liebe Schwägerin Ernestine und Klein Hugo!
Deinen lieben Brief vom 3. Januar erhalten. Dafür herzlichen Dank. Wie ich an deinem Brief ersehen kann, ist bei Euch noch alles gesund, dies freut mich besonders. Auch ich bin noch gesund. Nun ist Weihnachten und Neues Jahr vorüber. Meine Eltern und Geschwister schrieben mir, dass sie alle an unseren lieben Buben gedacht hatten. So hatte er doch seine große Freude. Aus(?) dieser Freude sehe ich auch an seinem Brieflein, wie stolz er ist auf den neuen Förstermantel, den er erhielt. Man sieht, er ist bei Dir und mit Dir, liebe Schwägerin, sehr zufrieden. Werde ihm auch so schwere Briefe wie den zu Neujahr nicht mehr schreiben. Den soll er sich aufheben. In 10 Tagen hat seine Mutti Geburtstag, am 5., Julerl wird 34 Jahre. Tags zuvor, am 4. Februar, werde ich 40. Jahre. Habe meiner lieben Julerl, schon anfangs des Monats geschrieben, ihr gratuliert und gewünscht, dass sie recht bald in Freiheit bei unserem lieben Bub sei. Meine Schwester Käthe schrieb mir, dass sie für Julerls Geburtstag ihr ein schönes Päckchen schickt. Sie werden ihr, so oft es ihnen möglich ist, eine Freude machen, denn alle haben Julerl sehr lieb und sie hat bestimmt jede kleine Freude in ihrem schweren Leben verdient. Ich wünsche und hoffe zu unserem Geburtstage, dass das Schicksal mir noch viele Jahre des gemeinsamen Lebens mit meiner lieben Julerl gibt. Nun zum Schluss, möchte ich noch ein paar Worte für unseren lieben guten Bub schreiben. Liebe Schwägerin, schreibst Du Julerl, dann grüße sie auch von mir, ebenso grüße meinen lieben Schwiegervater. Bleibt alle gesund, ich danke Dir für deine lieben Worte und alles Gute....
Mein lieber herziger Bub!
Dein liebes Brieflein mit deinem lieben Neujahrs-Wunsche, dass Mutti und Vati recht bald bei Dir sein sollen, mit vieler Freude erhalten. Auch deine Zeichnung mit Herrn und Frau Keppellmeier war schön, ich musste darüber lachen. Lege auch in Muttis Brief immer eine Zeichnung. Sie wartet drauf und hat ihre Freude. Vergiss nicht, unserer lieben Mutti am 5. Februar zu gratulieren. Denke Dir, welche Freude Du für die liebe Mutti bist(?). Grüße sie auch von mir, hoffen wir alle, dass wir uns wieder sehen.
Das Christkind war sehr lieb zu Dir. Einen schönen Förstermantel, ein Hemd, Spielsachen, dazu noch Geld von Tanten und Großeltern. So haben sie alle lieb an Dich gedacht, das ist brav und lieb. Gelt, lieber Bub, es ist schön das Rodeln, aber auch schön, wenn man darauf(?) mit Lust und Liebe lernt, um in die Hauptschule zu kommen. Viel lernen muss man, um die Prüfung zu bestehen. Na, ich weiß, mein guter Bub, Du wirst es schon schaffen. Nur ruhig lernen, nicht aufgeregt oder ängstlich sein, dann geht’s schon. Mein Hugolein, Du hast auch ein kleines Kätzchen. Sei nur vorsichtig, wenn es größer wird, dass sie nicht beißt, sonst ist ein kleines Kätzelein sehr lieb. Bleibe auch Du lieb und brav und freue Dich bei deiner lieben Tante. Mache auch ihr Freude, wenn Du kannst, bleibe gesund, werde groß und stark. Schicke unserer lieben Mutti viele Grüße und Bussi von mir. Tante Käthe schrieb mir auch, dass sie sich sehr gefreut hat, von Dir, Hugolein, nach Weihnachten gleich wieder Post bekam. Darum schreibe den Tanten hie und da auch mal eine Karte, gelt? Die freuen sich alle. Zum Schluss, liebes Hugolein, grüße Tante Ernestine nochmals, trinke vernünftig Lebertran für deine Gesundheit. In Gedanken, recht fest drückt Dich Vati an sein Herz. Grüße Mutti. Tausend Bussi von Deinem lieben Vati Hugo.“
Brief von Hugo Salzmann vom 24. Oktober 1943 aus dem Zuchthaus Butzbach
„Liebe Schwägerin Ernestine und mein lieber guter Bub Klein Hugo!
Nun, zuerst wünsche ich Euch einen ‚schönen guten Tag’ und hoffe, dass Ihr beide gesund seid, ebenso dein lieber Mann. Mir selbst war es einige Tage nicht wohl. Jetzt ist’s wieder gut. Von meinen Geschwistern habe ich schon 6 Wochen lang keine Post erhalten. Sie verstehen sich noch nicht, im Schreiben einzuteilen. Beunruhigen tut mich das Schicksal meines Bruders, der im Osten schwer verwundet wurde, seit Wochen habe ich über seinen Gesundheitszustand nichts mehr gehört. Wenn Du an meine Schwester Tilla schreibst, liebe Schwägerin Ernestine, erwähne, dass ich auch geschrieben habe und gespannt auf Nachricht von unserem Bruder Karl wäre. Meiner treuen Julerl hatte ich geschrieben, hoffe und wünsche, dass sie gesund ist und auch weiterhin bleibt. Ich werde mich freuen, von ihr wieder einen Gruß zu erhalten. Wenn Du und Klein Hugo schreibt, grüßt sie recht, recht lieb von mir. Meinen nächsten Schreibtag habe ich am 5. Dezember, da werde ich an meine Geschwister in Kreuznach schreiben. Allen Lieben, die an uns Grüße senden und an Klein Hugo denken, innigsten Dank, wünsche Ihnen allen gute Gesundheit und baldiges Wiedersehen. Am 22. November hat mein Vater Geburtstag, er wird 71 Jahre. Klein Hugo soll ihm auch im Namen von seinem Papa und Mama gratulieren. Nun, liebe Schwägerin Ernestine, all meinen Dank Dir und Deinem lieben Mann für all die Mühe und Sorgen um das Wachsen und Gedeihen an Klein Hugo. Hoffen wir, es im Leben recht bald wieder gut machen zu können. Nun komme ich zu unserem Bub. Zu seinem 11. Geburtstage am 2. November und seinem 4., den er bei Dir verlebt. Nochmals Dir, liebe Schwägerin, Deinem Manne sowie allen, die Dir und Klein Hugo liebes erweisen, recht herzlichen Dank. Auf baldiges gesundes Wiedersehen grüßt Euch Dein Schwager Hugo.
Mein lieber guter braver Bub Hugo!
Euren letzten Brief, den ich von Euch erhielt, hattest Du in den falschen Briefbogen gesteckt. Ich erhielt den Brief, den Du an Mutti schicken wolltest. Natürlich, Mutti erhielt dann meinen Brief. Ich habe viel lachen müssen. Du schriebst immer „liebe Mutti, ich war in Judenburg in Graz, bei Onkel und Tanten, es hatte überall nur Freuden gegeben“, aber am Ende hattest Du dann wieder anstatt „liebe Mutti“ mal „lieber Vati“ geschrieben. Na, so weiß ich, dass Mutti, unsere Liebe, noch gesund ist, und Du nächstens den Brief nicht mehr verwechseln tust. Die Mutti wird ja auch über ihren Brief gelacht haben, und konnte sich vorstellen, was ihr lieber Bub für große Augen macht, wenn er davon erfährt.
Nun, mein lieber guter Bub, am 2. November werden Mutti und Vati viel, recht viel an Dich denken. Deinen 11. Geburtstag begehst Du am 2. November. Welch ein großer Junge bist Du geworden in den vier Jahren, wo wir uns nicht mehr sahen. Ach Hugolein, Mutti, die Liebe, die so viel für Dich getan und geopfert hat, wird am 2. November weinend und laufend Deiner gedenken. Auch viele andere denken an Dich. Hoffen wir und wünschen wir an deinem Geburtstage, dass die Zeit bald kommen möge, wo wir alle drei gesund, zufrieden einer hoffnungsvollen Zukunft gemeinsam entgegen leben können. Bleibe brav und lieb zu Tante Ernestine, Onkel und allen lieben Menschen. Werde ein gerader ehrlicher Mann. Dafür lerne fleißig in der Schule. Sei immer aufmerksam. Halte Dich gesund und sauber zu Deiner Freude, zur Freude von Tante sowie mir und Mutti. Werde groß kräftig und klug, und wünschen wir an deinem Geburtstage das baldige Wiedersehen, so sind das gleichzeitig die besten Glückwünsche für dein weiteres Leben. Fest drückt und küsst Dich im Geiste Dein lieber Vati Hugo.“